Gottes Volk auf der Flucht

Die Bibel erzählt, wie das auserwählte Volk mit Mose aus ägyptischer Gefangenschaft geflohen ist. Leider gibt es außerhalb der Bibel keine Erwähnung dieser 40-jährigen Reise. Auf dem Sinai finden sich keine Anhaltspunkte, dass sich dort zu irgendeiner Zeit Menschen in nennenswerter Zahl aufgehalten hätten. Weder Tonscherben, noch Lagerplätze zeugen von einer umherreisenden Gruppe.

In der Regel entdeckt man sonst in anderen Bergregionen Tausende archäologisch verwertbarer Überreste auch von kleinen Nomadensippen. Also müsste ein riesiges Menschenheer unzählige Spuren hinterlassen haben. Selbst wenn die fliehenden Israeliten nicht 600.000 Männer waren - wie die Bibel sagt -, sondern nur 6.000, hätten sie Hinweise hinterlassen müssen. Vergessen wir nicht, dass kaum eine Gegend der Welt archäologisch so gründlich erforscht worden ist, wie das Heilige Land.

Der "Auszug Israels" zählt in der Bibel etliche Orte auf, in denen die Fliehenden gelagert haben sollen. Nur wenige auf dieser langen Liste von Lagerplätzen konnten tatsächlich existierenden Dörfern zugeordnet werden. Dasselbe gilt für Ortschaften, die den Israeliten Widerstand entgegengesetzt haben sollen.

Wie man es auch dreht und wendet, es lässt sich keine vernünftige Wegstrecke aus den biblischen Angaben identifizieren. Bemerkenswert ist, dass einige Ortsbeschreibungen zwar der Realität entsprechen, die Orte selbst aber erst zur Zeit des Königreichs Juda, also in einer viel späteren Epoche, existierten.

Im ganzen Mose-Drama wird kein ägyptischer Herrscher des Neuen Reiches namentlich erwähnt. Auch das gibt zu denken, denn in späteren Bibelgeschichten ist das anders. Es entsteht der Eindruck, als hätten spätere Schreiber nichts oder nur wenig von den politischen Gegebenheiten im Ägypten der Spätbronzezeit gewusst und deswegen tunlichst keine Namen genannt.

Mose stieß auf der Reise mit seinem Volk an die Grenze eines Staates namens Edom und schickte einen Botschafter zum König, um die Erlaubnis für den Durchzug zu erbitten (4. Mose 20,14). Einen Staat Edom gab es aber erst um 700 v. Chr. unter assyrischer Herrschaft. Vorher wurde das Gebiet nur spärlich von umherziehenden Hirten bewohnt. Da war kein Königreich, das sich 600.000 Fliehenden hätte entgegenstellen können.