Frage      Jesus wollte gekreuzigt werden
Nach der vatikanischen Kommission für das "Heilige Jahr" (2000) ging Jesus an diesem Tag nach Jerusalem, "in der klaren Absicht, seinen Erlösungsauftrag zu offenbaren und zu erfüllen." Angeblich bekannte er sich im Neuen Testament als das für alle Menschen geopferte, endgültige Passahlamm des Neuen Bundes (1. Kor 5,7): "Denn auch wir haben ein Passahlamm, das ist Christus, der geopfert ist."

Es war also eine Art Selbstmord. Jesus war ja von ihm wohl gesonnenen Pharisäern vor seinem Feind gewarnt worden (Lk 13,31): "Mach dich auf und geh weg von hier; denn Herodes will dich töten."

Aber Jesus wollte unbedingt nach Jerusalem, um seine Verkündigung in einem grandiosen Finale vollenden zu lassen (Lk 13,33): "Es geht nicht an, dass ein Prophet umkomme außerhalb von Jerusalem."

Die Vorstellung, Jesus habe von seiner Verhaftung, Verurteilung und Kreuzigung gewusst und spiele wie in einem Film eine Rolle zu Ende, wirkt schon sehr merkwürdig. Warum hätte er das tun sollen? Dass er mit diesem Akt der Selbstdarstellung die Sünden nicht von den Menschen nehmen konnte, wissen wir nach 2.000 Jahren ungeduldigen Hoffens und Beobachtens.

Hätte Jesus seine Heilslehre, seine Sündenübernahme und Gottwerdung nicht anders glaubhaft machen können, als mit diesem blutigen Theater?

Würde es überhaupt ein Christentum geben, wenn Jesus vor den Toren Jerusalems auf die warnenden Pharisäer gehört hätte und wieder umgekehrt wäre?

Der Verrat von Judas Iskariot wird in unseren Tagen wieder heftig diskutiert. Wer die entsprechenden Bibelstellen im Johannesevangelium aufmerksam liest, gewinnt nämlich den Einruck, Jesus habe sich mit Judas abgesprochen, um ganz bewusst seine Verhaftung herbeizuführen.

Denn wenn die ganze Passionsgeschichte Jesus' vorherbestimmter Weg zur Erlösung der Menschen sein soll, wäre Judas' Tat die notwendige Initialzündung gewesen.

Judas wäre demnach kein Verräter, sondern vielmehr ein aktiver Helfer auf dem göttlichen Erlösungsweg.

Leider lässt diese Interpretation höchstens das Johannesevangelium zu. Nur dort wird Jesus gefangen genommen, weil er es auch selber wollte (Joh 18,4): "Da nun Jesus alles wusste, was ihm begegnen sollte, ging er hinaus und sprach zu ihnen (den Soldaten)."

Ihm war also klar, was auf ihn zukommen sollte und er hatte Judas kurz zuvor aufgefordert, er solle nun tun, was zu tun war (Joh 13,27): "Was du tust, das tue bald!"

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©Johannes Maria Lehner
 
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