Frage      Kreuzigung oder Aufhängen?
Wurde Jesus wirklich ans Kreuz geschlagen oder vielleicht nur an einen Pfahl gehängt?

In den drei frühen Evangelien zwangen die Soldaten einen Hellenen namens Simon, Jesus' Kreuz zu tragen. Trotz dieser eindeutigen Aussage fragen sich Experten, ob Jesus überhaupt gekreuzigt oder nicht stattdessen an den Armen aufgehängt worden ist.

In den griechischen Originalen der Evangelien werden nämlich das Hinrichtungsinstrument "staurós" (Pfahl) und der Tötungsvorgang selbst "stauróo" genannt. Das würde nicht "kreuzigen", sondern "an den Pfahl" hängen bedeuten.

In den griechischen Evangelien findet sich auch nirgendwo das Wort "xiasma" für "Kreuz". Das lateinische "crux" bedeutete übrigens ursprünglich nicht "Kreuz", sondern "Pfahl". Bei den Römern hieß der Akt, den wir "Kreuzigung" nennen, "arbori infelici suspendere", Aufhängen am Unglücksbaum.

Hatten sich die ersten Christen vielleicht irgendwann darauf verständigt, ein bestimmtes Wort fortan anders zu übersetzen als bisher? Genauso wie man "Alter Bund" und "Neuer Bund" irgendwann durch "Altes Testament" und "Neues Testament" ersetzte?

Im Alten Testament ist der Akt der Kreuzigung gänzlich unbekannt. Vielmehr war es üblich, den Verurteilten an den Armen an einen Pfahl zu hängen.

Die Apostelgeschichte berichtet denn auch, Jesus (Apg 10,39) "haben sie an das Holz gehängt und getötet."

Die frühesten Bilder einer Kreuzigung sind übrigens erst 300 Jahre nach Christi Geburt entstanden. Bis dahin kam niemand auf die Idee, Jesus am

Kreuz darzustellen. Dagegen waren Abbildungen von Menschen, die an den Armen an einem Pfahl oder Baum aufgehängt waren, weit verbreitet.

Ein Tod am Kreuz wirkt eben viel beeindruckender als ein schlaffes Hängen am Pfahl.

Da Kreuzigung und Aufhängen am Pfahl bei den Juden nicht üblich waren, könnte man zudem wie Rudolf Augstein in seinem Jesus-Buch urteilen: "Starb Jesus am Kreuz, so starb er wegen Aufruhrs gegen Rom. Wurde er von den Juden umgebracht, so starb er gewiss nicht am Kreuz."

Die Juden liquidierten Todes- kandidaten grundsätzlich nicht durch Kreuzigen, sondern durch Steinigen, Verbrennen, Enthaupten oder Erdrosseln, manchmal auch in dieser Reihenfolge. Zusätzlich bestrafte man den in der Regel bereits toten Delinquenten durch "Aufhängen am Holz", um seine Person zu demütigen oder andere abzuschrecken (5 Mose 21,22): "Wenn jemand eine Sünde getan hat, die des Todes würdig ist, und wird getötet und man hängt ihn an ein Holz."

Bedenken wir zudem, dass es mit einfachem Eisenwerkzeug technisch recht schwierig ist, ein stabiles Kreuz zu zimmern, stellt sich die Frage, warum man sich diese Mühe für einen zum Tode Verurteilten hätte machen sollen, wo es doch ein einfacher zugespitzter Baumstamm auch tat.

Wäre Jesus aber an einen Pfahl gehängt und nicht an ein Kreuz genagelt worden, wären die weltweiten Nagelwunden-Wunder Unsinn! All die Menschen, die in religiöser Verzückung plötzlich blutende Wundmale an ihren Händen zeigen, würden an der falschen Stelle bluten und wären Scharlatane.

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©Johannes Maria Lehner
 
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