Frage      Was wäre die Welt ohne Bibel?
Hat dieses Heilige Buch der Christen- heit eigentlich mehr Segen oder mehr Unheil in die Welt gebracht? Was wäre denn ohne den Glauben an einen einzigen Gott anders verlaufen?

Vielleicht würden wir heute noch an unterschiedliche Götter glauben, wie andere Reli- gionsgemeinschaften auch. Viele der frühen heidnischen Religionen waren jedenfalls toleranter und ihre Götter hatten keine Probleme, andere Gottheiten neben sich zu dulden.

Vielleicht wäre unser religiöses Leben durch all die Jahrtausende sogar bunter, unbeschwerter und abwechslungsreicher gewesen.

Und mit Sicherheit würden solcherlei Götter und Göttinnen in schwierigen Lebenssituationen genauso Trost spenden wie der eine strenge Gott, der den Christen angeboten wird.

Wer hat denn gesagt, dass nur der Glaube an einen Gott selig macht? Jack Mile fragt in seinem Buch "Gott. Eine Biographie", warum eigentlich der Monotheismus (Glaube an einen Gott) ein Fortschritt gegenüber dem Polytheismus (Glaube an viele Götter) sein solle und meint: "Wenn der eine Gott nicht weniger eine Fiktion ist als es die vielen Götter waren, worin liegt dann der Gewinn?"

In der realen, zumindest der westlichen Welt sind wir ja auch davon abgekommen, uns einem einzigen Herrscher unterzuordnen und ziehen es vor, von vielen "Göttern" unserer Wahl regiert zu werden. Warum sollte das in einer himmlischen Welt anders sein?

Die Frage ist berechtigt, was diese dominante christliche Gottheit wirklich zum Wohl der Menschheit beige- tragen hat, was andere Götter nicht hätten tun können.

Wäre einer Welt ohne Christentum Barmherzigkeit und Nächstenliebe entgangen? Wer weiß? - Nur, wo waren sie, die großen, weltumspannenden kirchlichen Hilfswerke im Mittelalter?

Wo hat also die christliche Kirche in ihrer Blütezeit Kinderstätten, Spitäler oder Behindertenheime hinterlassen? Warum hat sie nicht im Mittelalter Fonds für wettergeschädigte Bauern eingerichtet?

Warum nicht heilkundige Menschen gefördert und zusammengeführt, anstatt sie zu verbrennen? Warum nicht von ihren Männern verlassene Frauen mit ihren Kindern in Heimen aufgenommen, anstatt sie moralisch zu brandmarken?

Wo waren ihre barmherzigen Taten in der Vergangenheit, abgesehen von gelegentlichen Armenspeisungen, die den Pöbel von der Straße holen sollten oder ein paar Kinderheimen, um die Schäfchen möglichst früh zum Glauben zu führen?

Wo und wann sind die Millionen Taler, Dukaten und Gulden von Kirche und Klerus zu notleidenden Menschen geflossen? Dass es der Kirche schon sehr früh nicht an Geld mangelte, zeigen die mit Gold verzierten, palastartigen Gotteshäuser und schon immer prall gefüllten Schatztruhen. Bereits im 4. Jahrhundert war die Kirche der größte Grundbesitzer Europas und führte mit immensen Summen sogar Kriege.

Natürlich ist das heute anders. Heute besinnt sich die Kirche in kleinen Schritten auf wohltätige Aufgaben, obwohl noch immer die meisten sozialen Einrichtungen aus staatlichen Töpfen finanziert werden. Ist es nicht bemerkenswert, dass wirkliche Hilfsorganisationen erst entstanden sind, als die Macht der Kirche dahin war?

Joseph Kardinal Ratzinger, derzeitiger Hüter des katholischen Glaubens (2004), schreibt dagegen wortgewaltig, man könne "mit geradezu empirisch gestützter Gewissheit" sagen, "wenn plötzlich die sittliche Macht, die der christliche Glaube darstellt, aus der Menschheit weggerissen würde, dann würde sie wie ein an einen Eisberg gerammtes Schiff taumeln, und dann bestünde höchste Gefahr für das Überleben der Menschheit."

Er rechnet damit, dass der Mensch "ins moralische Trudeln kommt, und dass Weltzerstörung, Apokalypse, Untergang vor uns steht". (aus "Salz der Erde")

Der werte Leser sollte selber entscheiden, ob diese pessimistische Diagnose mehr als nur frommer Glaube ist.

Die meisten Menschen der westlichen Welt haben eher die Erfahrung gemacht, dass es sich ganz gut und viel freier ohne Kirche leben lässt.

Viele beginnen nach ihrer Befreiung vom Joch der Kirche erst richtig zu leben, und sicher nicht unmoralischer.

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©Johannes Maria Lehner
 
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