Frage      Verlangte Jesus die Missionierung?
Kirchenvertreter und missionierende Christen weisen immer wieder darauf hin, Jesus selbst hätte den Gläubigen den Auftrag erteilt, seine Botschaft in die Welt hinaus zu tragen. Diesen Auftrag wollen sie in der Bibel gelesen haben.

Jesus hat sich dazu nur sehr unklar geäussert. Er hielt aber eine Missionierung im größeren Stil mit Sicherheit für überflüssig. Schließlich war er davon überzeugt, bald wiederzukommen und die Geschicke der Welt selber in die Hand zu nehmen. Diese baldige Wieder- kunftserwartung zieht sich unmissverständlich durch alle Evangelien (siehe Link "Jesus' Wiederkehr und das Reich Gottes").

Jesus befahl deshalb seinen Jüngern (Mt 10,5-6): "Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht in keine Stadt der Samariter, sondern geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel."

Angeblich lohnte es sich also nicht, auch die Römer und Griechen zu bekehren, denn die Jünger würden (Mt 10,23) "mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, bis der Menschensohn kommt".

Jesus hatte zwar seine Botschaft selber auch missionarisch verbreitet, aber in der sehr kurzen Zeitspanne seines Wirkens und dem kleinen geografischen Kreis, in dem er umher wanderte, kann man wahrlich nicht von einer ernsthaften Missionierung sprechen.

Jener Satz aus dem Matthäusevangelium ("Geht nicht den Weg zu den Heiden...") war übrigens einer der Streitpunkte zwischen den Kirchengründern Petrus und Paulus. Sie waren uneins, ob die Heilsbotschaft für alle Menschen oder nur für das auserwählte Volk bestimmt sei.

Um die Verwirrung komplett zu machen, änderte Matthäus einige Kapitel später seine Aussage wieder. Jesus forderte nun plötzlich als Auferstandener seine Jünger zum völkerübergreifenden Missionieren auf (Mt 28,19): "Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker."

Woher dieser plötzliche Sinneswandel? Ist dieser letzte Vers vielleicht eine im Nachhinein eingefügte Zeile, um die weltweite Mission zu legitimieren? Sie passt so gar nicht zum Grundtenor des ganzen Evangeliums.

Der erste wirklich ernsthafte Missionar in Sachen Christentum war Paulus. Aber auch er erhielt keinen persönlichen Auftrag von Gott oder seinem Sohn. Paulus schrieb, er habe Jesus nie persönlich kennen gelernt, aber dieser sei ihm als Auferstandener auf der Straße erschienen und hätte ihn zum Apostel und zur Christenmission berufen.

Siehe auch die Links "Petrus - Jesus Nachfolger" und "Warum Jesus keine neue Kirche gründete".

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©Johannes Maria Lehner
 
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