Frage      Starb Jesus, weil er sich Messias nannte?
Die Evangelien beteuern, Jesus' Behauptung, der Messias zu sein, habe ihm den Tod gebracht. "Doch dieser Ausspruch wäre von den Juden, gleich welcher Partei, damals keineswegs irgendwie für Gotteslästerung gehalten worden", widerspricht der Rabbiner Hyam Maccoby.

"Dieser Titel gehörte in jüdischen Augen zur Königswürde, nicht zur Gottheit. Auch der Titel "Sohn Gottes" war für Juden (nicht aber für Gnostiker) ein menschlicher Titel, der zu verschiedenen Zeiten in den hebräischen Schriften auf Könige wie David, auf gewöhnliche Juden und auf Nichtjuden angewendet wurde."

Die Bezeichnung "Christus" war zu jener Zeit bei den Juden kein göttlicher Titel. Jüdische Amtsträger, die man in einer Einsetzungszeremonie mit Öl salbte ("Christos" = der Gesalbte) wurden so genannt.

Selbst korrupte römische Angestellte konnten mit "Priester Messias" angesprochen werden. Die Aura von Göttlichkeit und Mystik, die das Wort heute umgibt, hatte es zu Lebzeiten Jesu mit Sicherheit nicht. Die Vorstellung von einem göttlichen Messias war zu jener Zeit unbekannt. Die ersten der Zehn Gebote untersagten die Verehrung eines menschlichen Wesens ausdrücklich.

Schließlich war Jesus in Galiläa, dem Zentrum des Widerstands gegen Rom, dem Geburtsplatz der zelotischen Bewegung, aufgewachsen. Die Juden hatten also wenig Grund, Jesus umgehend zum Tode zu verurteilen, nur weil er sich als "Messias" und Retter Israels bezeichnet haben soll.

Selbst wenn sie an seinen Fähigkeiten gezweifelt hätten, wäre die vage Hoffnung, er könnte sie vom Joch der Römer befreien und ein neues Reich im Namen Davids ausrufen, Grund genug gewesen, ihn am Leben zu lassen. Nichts hätten sich die Juden jener Zeit mehr gewünscht als die Unabhängigkeit von Rom.

Jeder Aufwiegler, der versucht hätte, die Römer zu vertreiben, wäre bereitwillig als "Messias" oder "König der Juden" anerkannt worden, selbst wenn er nicht der Dynastie Davids entstammt wäre.

In der gesamten jüdischen Literatur gibt es kein Beispiel für eine Person, die angeklagt wurde, weil sie sich für einen Gottessohn ausgegeben hatte. Erst wenn Jesus behauptet hätte, Gott der Allmächtige zu sein, hätte das ernsthafte Konsequenzen haben können (Abgötterei).

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©Johannes Maria Lehner
 
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