Frage      Jesus einfältige Jünger
Markus hatte in seinem Evangelium die Jünger gern als beschränkte, begriffsstutzige Männer vorgeführt. Immer wieder wurden sie von Jesus angepöbelt (Mk 4,13): "Versteht ihr dies Gleichnis nicht, wie wollt ihr dann die andern alle verstehen?"

Offenbar erfassten die Herren den Ernst ihrer Mission nicht so recht. Als Jesus kurz vor seiner Hinrichtung im Garten Gethsemane übernachtete, bat er seine Jünger, mit ihm wach zu bleiben.

Doch diese waren zu schwach und schliefen immer wieder ein, anstatt mit Jesus in diesen schweren Stunden zu beten. (Mt 26,40) "Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?", beschwerte dieser sich genervt.

Wenn uns schon Jesus nichts Schriftliches hinterlassen hat, hätten es doch seine Jünger tun können, da sie je viel länger gelebt haben. Aber sie waren nicht einmal im Stande, wenigstens die wichtigsten Ereignisse zu datieren und anständig zu protokollieren. Selbst wenn sie Analphabeten waren, hätten sie Schreibkundigen alles Wichtige diktieren können. Schließlich sind Juden- und Christentum ausgeprägte Schriftreligionen, denen Wort und Text immer wichtig waren.

Entweder erschien den Jüngern das Wirken ihres Meisters zu banal oder es hatte gar nicht stattgefunden, sodass es auch nichts aufzuschreiben gab.

Jesus selbst lästerte jedenfalls über die "verhärteten" und "verstockten" Herzen der Jünger und tadelte sie (Mk 7,18): "Seid ihr denn auch so unverständig?"

Es zeigt sich immer wieder, dass er seine liebe Mühe mit seiner Gefolgschaft hatte (Mk 8,17): "Versteht ihr noch nicht, und begreift ihr noch nicht?"

Ein anderes Beispiel, das die Trägheit der Aposteln demonstriert: Nachdem Jesus beim Abendmahl seinen Verräter entlarvte, folgte auf diese dramatische Ankündigung keine Reaktion. Die Anwesenden schlemmten unbekümmert weiter. Kein Jünger empörte sich, keiner fragte nach und keiner beschimpfte Judas. Stattdessen sangen sie gemeinsam ein Lied.

Als Jesus am Kreuz hing, hatten sich, von einer einzigen Ausnahme im Johannesevangelium abgesehen, die Jünger aus dem Staub gemacht. Ob aus Angst oder Dummheit wissen wir nicht.

Jedenfalls standen sie Jesus nicht bei und setzten sich nicht für ihn ein. Stattdessen zogen sie sich zurück und hielten sich aus allem heraus. Weshalb man sie trotzdem als Märtyrer und heilige Männer ehrt, kann ich nicht nachvollziehen.

Lukas berichtet weiter, was passiert war, nachdem die Jünger erfuhren, dass Jesus aus dem Grab auferstanden war. Sie erfahren von drei Frauen vom mysteriösen Verschwinden des Leichnams, aber sie glauben ihnen nicht (Lk 24,11): "Und es erschienen ihnen diese Worte, als wär's Geschwätz."

Wieder entpuppen sich die Jünger als begriffsstutzige Tölpel. Dabei hatten sie die heiligen Texte gelesen und Jesus immer wieder verkünden hören, dass er sterben und nach drei Tagen auferstehen würde. Warum glauben sie es jetzt nicht?

Die Herren haben offenbar nichts begriffen oder ein ausgesprochen schlechtes Gedächtnis.

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©Johannes Maria Lehner
 
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