Frage      Warum das Alte Testament in der Bibel ist
Warum das Alte Testament überhaupt in die Bibel aufgenommen worden war, hatten schon die ersten Christen heftig diskutiert. Schließlich ist das Alte Testament (mehr oder weniger) das heilige Buch der Juden.

Vielen war auch die große Unvereinbarkeit des alttestamen- tarischen, strafenden und tötenden Gottes mit den Lehren seines Feinde liebenden Sohnes aufgefallen.

Aber so wie das Christentum aus dem Judentum entstanden ist, so hängt auch das Neue Testament trotz der unterschiedlichen Gottesgestalten eng mit dem Alten zusammen. Das Neue Testament verweist nämlich an 900 Stellen auf die Texte des Alten Testaments. Die beiden Bücher sind also nicht voneinander zu trennen, ob man will oder nicht.

Da die Evangelisten aus dem jüdischen Kulturraum stammten und sich im Alten Testament gründlich auskannten, flochten sie mit Vorliebe Textbezüge und Zitate in ihre Jesus-Geschichten ein und ließen alte Prophezeiungen in Erfüllung gehen. Damit versuchten sie, die Glaubwürdigkeit und Autorität ihrer neuen Texte zu erhöhen.

Es finden sich eine ganze Menge solcher prophetischer Bezüge zum Alten Testament. Leider sind es immer nur einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Sätze oder Satzteile. Mal ein paar Verse von diesem Propheten, mal ein Drohung von jenem, oft nur Fragmente, wie es gerade passt.

Vielen Textstellen des Alten Testaments, die angeblich die Ereignisse um Jesus voraussagen, stehen andere gegenüber, die ihnen bei genauem Hinsehen widersprechen (5 Mose 21,23): "Denn wer am Holz hängt, der ist von Gott verflucht." Danach könnte ein gekreuzigter Mann niemals das Wohlwollen Gottes genießen.

Nicht einmal der richtige Name des Erlösers wird im Alten Testament erwähnt. Laut dem Propheten Jesaja sollte das Messiaskind nämlich Immanuel heißen und nicht Jesus, Jehoschua, Jeschua oder wie auch immer (Jes 7,14): "Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel." (vgl. dazu auch Mt 1,23).

(Die katholische Kirche versucht, sich mit einem "symbolischen Namen" für ein jungfräulich geborenes Kind herauszureden.)

Das Alte Testament diente den Christen lange Zeit als gern willkommene Fundgrube, wenn es darum ging, ihre Schäfchen zu Gehorsam und Gefolgschaft zu zwingen. Sie benutzten die Fülle der Bibelverse als religiösen Tante-Emma-Laden und pickten sich ungeniert heraus, was ihnen passte. Alles andere ignorierten sie. Über den Aufruf zum Sabbat, eine der wichtigsten Forderungen Gottes, den Verzicht auf Schweinefleisch, über die Mehrehe, die Beschneidung und eine ganze Menge mehr, wurde nicht einmal ernsthaft diskutiert.

Dafür holten sich die Christen aus dem Buch mit den tausend Drohungen und Bestrafungen je nach Bedarf ihre Rechtfertigungen, um Andersgläubige hinzurichten oder fremde Völker ohne schlechtem Gewissen ausrotten zu können. Der kriegerische Geist des Alten Testaments bot genug Gründe, um der Friedensliebe Jesu widersprechen zu können. (Siehe dazu die Kapitel über die göttliche Moral in der Bibel.)

Vom "Alten Testament" sprechen übrigens nur die Christen. Zum ersten Mal sprach Paulus vom "Alten Bund" und meinte damit den ersten Pakt Gottes mit seinem auserwählten Volk. Den "Neuen Bund" - daher die Bezeichnung "Neues Testament" - mit den Menschen soll Gott mit den Christen geschlossen haben, indem er ihnen seinen Sohn auf die Erde schickte.

Damit war der "Alte Bund" stillschweigend aufgelöst und die Christen waren nun das "neue Israel". Eine biblische Berechtigung zu dieser Vertragsänderung oder ein klares Wort Jesu können die Theologen natürlich nicht anbieten.

Papst Johannes Paul II äußerte dazu sogar in einem Apostolischen Schreiben (1994): "Der Heilsplan des Alten Testaments ist im wesentlichen darauf ausgerichtet, das Kommen Christi, des Erlösers des Alls, und seines messianischen Reiches vorzubereiten und anzukündigen."

Was wohl die Juden von dieser ungeheuerlichen Anmaßung halten?

< zurück          nach oben          vor >


©Johannes Maria Lehner
 
-> Fenster schliessen                              --> Diese Seite drucken